Holzpapst.1

Die Seminarwoche schreitet unaufhaltsam lahm voran. Von morgens neun bis abends neun haben wir geplant Programm. Immerhin konnten wir durchsetzen, dass wir unser Abendessen zu Haus einnehmen dürfen. So können wir etwas früher gehen. Und so toll ist der Mensanährschlamm hier nun auch nicht.
Für diese ganze Woche mit täglich neun bis zehn Stunden Beschäftigungstherapie, darüber geht es bisher nicht hinaus, also insgesamt knapp fünfzig Stunden Fleißarbeit, dafür bekommen wir nur einen ECTS-Creditpoint. Dabei lautet die Umrechnungsformel für einen solchen 1 CP = 30 Arbeitsstunden. Müssten also 1,7 sein. Schikane.

Heute werden wir mit einem Vortrag des Holzpapstes beglückt. Julius Natterer ist einer der Autoren der Holzbibel. Ein ganz Großer. In jeglicher Hinsicht, liegt allerdings auch an seinen Plateauschühchen. Hier in der Schweiz tragen erstaunlich viele Schuhwerk von MBT.
Sein Vortrag enthielt eine Bilderschau seines 70-jährigen Schaffens. Das Erstaunliche: er hatte zu jedem der hundert Objekte den Preis parat und — ganz wichtig — auch die Kosten, wäre es nicht aus Holz gebaut worden.
Man gewann den Eindruck, dass man nur Herrn Natterer an die Baustelle holen muss, schon dritteln sich die Kosten. Bloß gammelt es einem nach dreißig Jahren halt weg.

Nun präsentierten wir Jünger ihm unsere sensationelle Tragstruktur. Er sah sie sich an und begann mit „Na dann wollen wir die mal bändigen.“
Eine halbe Stunde später stand vor uns eine langweilige Lehrbuchkonstruktion (wahrscheinlich Holzbauatlas Seite 371), er klopfte sich auf die Schulter und fragte laut „Gibt es noch andere die Hilfe benötigen?“, Stille.

Tschüss, Herr Natterer.